Sohnbriefe 2

Junge, was ich hier schreibe ist nicht meine ganze Lebensgeschichte. Ich kann sie nur anreissen. Einige dunkle Erinnerungen werde ich nicht offenlegen. Ich versuche trotzdem, ehrlich zu sein, weil ich möchte, dass du meinen Weg kennst. Vielleicht wirst du einen Teil deiner Geschichte besser verstehen. Jetzt, nach all den Jahren, denke ich, haben wir das alle ganz gut überstanden. Ich habe oft versagt. Entschuldigungen reichen nicht. Nur durch das Leben, wie ich es jetzt lebe, ein Leben zur Ehre Gottes, kann ich euch gerecht werden. Eure Verletzungen kann ich nicht heilen. Nur ihr könnt mir verzeihen, was ich durch meine Unreife an euch versäumt habe. Weil ich euch jetzt darum bitte. Wie ich mir wünsche, dass ihr heil werden könnt. Das ist euer Erbe. Die Trennung von Gott, das Leben ohne Gott habt ihr von mir geerbt. Das war auch mein Erbe. Das ist diese säkulare, gottlose Welt. Und trotzdem ist Gott nie weg.
Ich versuche hier gar nicht groß zu schriftstellern. Es geht darum, meinen Weg zu sehen, wie er war und wie er mich doch zu Jesus, zu Gott geführt hat.

Als Erstes: Es ist so einfach, zu Gott zu kommen. Zurückzukehren. Umzukehren. Wie das bei mir ging möchte ich euch erzählen.
Ich begann meine Ausbildung und schaffte es dieses Mal sogar. Kurz vor meinem 30. Geburtstag lernte ich meine neue Frau kennen und wir lebten bald mehr oder weniger als Familie zusammen. Und doch gab es Probleme, die ich verdrängte, denn die Liebe war so stark und ich dachte, ich kann alles aushalten. Ich dachte zu wenig an euch, mein Bedürfnis nach Liebe, nach einer Familie war größer. Es waren Gefühle, die mich steuerten. Ich war immer noch nicht geheilt, in meiner Seele. Meine neue Frau war immer noch nicht geheilt in ihrer Seele. Wir genossen uns und unser neues Glück. Drogen, Alkohol und viele ungelöste Probleme und trotz allem der Versuch, eine normale Familie zu werden. Ich wusste immer, dass ich mit dieser Frau zusammen sein will. Es war keine heile Welt, die ich euch bot. Überhaupt nicht. Es gab Alkoholexzesse und die konnte ich nur ertragen, indem ich mir Heroin besorgte und mir dieses warme Bad verschaffte. Ich dachte nicht an euch. An eine heile Welt, im Sinne von geheilt konnte ich nicht glauben. Ich hatte Gott nicht in meinem Leben. Wie kann es da eine heile Welt geben? Und doch gab es auch schöne Stunden, dann war Hoffnung. Aber nie lange genug. Nicht wieder, nie wieder. Wie sehr ich mir wünschte, das Elend würde aufhören. Aber es kam doch immer wieder zu diesen Abstürzen. Ich versuchte, alles zu kontrollieren. Und wollte alles einfach über mir zusammenbrechen lassen. Es schien keinen Ausweg zu geben.
Irgendwann waren wir beide auf Heroin. Heroin und Kokain. Heroin ist tatsächlich sozial verträglicher, als Alkohol. Mir war lieber, dass wir Heroin ballerten, als Alkoholabstürze zu erleben. Bald wurde aber auch das zu viel. Heroin kostet halt ein wenig mehr. Wir suchten schon irgendwie nach einem Ausweg. So oft kalt entzogen. So oft wieder: Nur noch ein Mal. Man muss erst an den Punkt kommen, wo alles weiter konsumieren einen Ekel auslöst. Da ist dann nichts Glorreiches mehr. Der Ausweg war Substitution. Und zum Glück kein Scheiß-Methadon, sondern ein Opiat: Codein. Dank eines Arztes, der uns Codein verschrieb, konnte unsere Sucht dann in geordneten Bahnen ablaufen. Morgens einen Schluck aus der Pulle, dann ließ auch der Affe nach und man konnte normal leben. Arbeiten gehen. Die Sucht läßt dich auf einem Minus-Level anfangen. Das Opiat bringt dich auf Null. Man braucht eigentlich keinen Beikonsum, aber weil es keine Höhepunkte mehr gibt, braucht man doch irgendwie diese Kicks, weil man selbst nicht mehr in der Lage ist, gute Gefühle zu haben. Das ist ein Dilemma, oder? Ach ja. Und dann kam unser erster gemeinsamer Sohn zur Welt. Es wurde manches besser, aber nicht wirklich. Nicht dauerhaft. Das konnte so nicht weiter gehen. Wir entschlossen uns aufzuhören und auf eine Therapie zu gehen. Wir gingen auf Therapie. Ich war jetzt 31. Ohne meine großen Söhne, nur mit unserem Jüngsten. Er war gerade zwei Jahre alt. Die Therapie war eine gute Zeit. Fast ein Jahr darauf, als die Therapie zu Ende war, fingen wir neu an. Wir zogen in eine andere Stadt, gingen auf eine Nachsorge. Das war fast, wie Freiheit, aber wir konnten uns nicht clean halten. Die alten Muster wirkten immer noch. Doch wir kamen zu Hause an. Es gab noch lange Zeit Rückfälle, aber keine Dauerabstürze. Es ging besser, aber trotzdem kam es immer wieder zu Rückfällen. Obwohl es uns klar war, dass Drogen keine Lösung waren. Sie brachten Linderung und dann Schmerz. Schizophren, oder? Das war ein Muster, das sich sehr lange durch unsere Beziehung zog. Das sind die vierzig Jahre umherirren in der Wüste.
Irgendwann kam ich durch einen Kollegen zur IBC, der International Babtist Church in Vaihingen. Hier erlebte ich zum ersten Mal das Gefühl von Heilung. Anders, als ich bisher Gottesdienste kannte, war hier ein Geist spürbar, den ich heute als Voraussetzung für jede Kirche einfordere. Eine echte Jesus-Liebe, Brüderlichkeit, Offenheit. Die IBC hatte zu der Zeit einen Pastor, der wirklich authentisch war. Jay McFadden oder einfach unser Brother Jay. Er konnte wirklich meine Sehnsucht wecken, auch Christ zu werden. Ich lies mich taufen. Und tatsächlich: Das war das neue Leben. Jay kam auch zu uns nach Hause. Er erklärte uns, Lisa und mir, dass wir heiraten müssen. Es war so einfach: Wir konnten immer nur auf Gott fallen. Heiraten ist ein vollkommenes Ja, anstatt eines vagen Gefühls, einer Ausstiegsklausel, die Paare haben, die nicht heiraten. Mag sein, dass es auch funktioniert. Schließlich waren auch wir jahrelang zusammen. Aber tief in einem ist diese völlige Hingabe nicht akzeptiert. Und genau das sollte zwischen Mann und Frau sein: In guten, wie in schlechten Tagen. Ich bin für dich da. Hat halt schon einen anderen Anspruch, als eine Beziehung zu haben, die jederzeit, durch irgendwas beendet werden kann. Denn die Liebe zwischen Mann und Frau ist eine so starke Kraft, dass daraus sogar Leben entsteht. Ja, man könnte hier Bücher drüber schreiben.
Jay hat unsere Ehe eingeleitet. Dieses Ja war ein Ja. Dieses Bild, dass wir in unserer Ehe immer auf Gott fallen können, wenn wir Krisen hatten, war eine Befreiung. Die Angst, den Anderen zu verlieren, war bei mir verschwunden. Ein Grund, Drogen zu konsumieren war eliminiert. Ich musste auch nicht mehr aus meiner Sucht gerettet werden. Und wir?Anstatt ein mal pro Monat wurden wir weniger und weniger von Drogengelüsten, was nichts anderes als der Wunsch, sich heil zu fühlen war, heimgesucht. Unsere Heilung begann. Unser neues Leben wurde Wirklichkeit. Es dauerte noch Jahre, um an diesen Punkt zu kommen. Das Wichtigste war für mich, meine eigene Bereitschaft, mich verändern zu lassen. Die Idee, ich könnte mich selbst zu etwas Besserem verändern, ist weltlich. Vielleicht ist sie auch darum zum Scheitern verurteilt. Ich wurde gefragt, was an meinem „christlichen Leben“ anders sei. Nun, ich konnte es nicht sagen. Ich tat keine besseren Dinge, als Nichtchristen. Ich hatte immer noch viel Überheblichkeit gegenüber anderen. Kurz, ich war nicht anders, oder besser, als Nichtchristen. Aber trotzdem empfand ich einen Vorteil, denn ich verspürte keine Schuld. Ich spürte mich nicht allein, bei allem, was ich tat war ich nicht allein. Ich glaube, dass ich, je mehr ich meine eigene Steuerung über mein Leben aufgab, umso mehr wurde ich geleitet. Es war, und es ist, als ob das Gute angezogen wurde, weil das Böse, das Schlechte, immer weniger aus mir heraus kam. Es ist kein Bam! Und ich war anders. Es war und es ist eine Ausrichtung, die ich steuern kann. Ich kann mich entscheiden, was ich tun will, was ich denken und was ich fühlen will. Ich werde nicht gezwungen, Gutes zu tun, so wie es früher die Sünde war, wo die Schuld auf mir lastete und ich wegen der Schuld gar nicht anders konnte, als neu schuldig zu werden. Immer weiter. In dem Maße, wie sich meine Ehe verbesserte, konnte ich mehr und mehr loslassen und mich entwickeln, bzw. entwickelte mich. Ich wurde entwickelt. Und das möchte ich euch besser verdeutlichen in meinem nächsten Brief.

Dass diese Entwicklung, diese Ausrichtung auf Gott noch nicht beendet ist, sondern weiter und weiter geht, sollte dir klar sein. Ich bin nicht mehr so sehr mit mir selbst beschäftigt. Ich muss nicht mehr jemand sein, damit ich akzeptierbar bin. Es ist ein Gutes Gefühl, zu wissen, dass ich schon immer geliebt und akzeptiert bin. Ich kann dir sagen, Sohn, dass du das auch bist. Von mir, aber auch von Gott, unserem Vater. Er möchte Dich! Seine Liebe ist immer da. Meine Liebe zu dir ist und war immer da.
Nun, was ist anders, wenn du Gott in dein Leben lässt? Was bringt es dir?

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