Entrückt

Ich weiß nicht genau, wie ich mich verhalten würde, wäre ich einer derjenigen, die bei der Entrückung zurückgelassen würden und viele andere, deren Glaubwürdigkeit oder Glaubensfähigkeit ich eventuell in Frage gestellt habe, wären nicht mehr hier.

Es wäre sicher dieser, mein Hochmut, der mich zu einem Weiterleben verurteilt hätte, dieses „Ich bin ja so gläubig und rechtschaffen“ und ich lese meine Bibel, wenn auch meistens elektronisch, täglich. Ich erfreue mich am Wort und doch bin ich oft ohne Freude und bin wieder mal lieblos oder ich (ver)urteile meine Mitmenschen, weil sie nicht zu Jesus stehen oder in meinen Augen lauwarm sind. Das ist falsch und ich möchte nicht urteilen. Es ist das, was Paulus sagte: „Ich will das Gute, aber ich tue das Böse“. Weil es immer noch in mir ist. Ich will es nicht und doch kann ich mich selbst nicht ändern. Ich muss mich selbst mehr und kritisch beobachten und muss mich tadeln und bitte auch oft um Verzeihung, weil ich wieder ungerecht war. Ich bitte Jesus darum, mich zu verwandeln. Nur er soll und kann dies. Meine Bemühungen sind lobenswert, aber sie allein sind nicht ausreichend. Ich kann es wollen und mir Pläne machen und nur wieder zu merken, dass ich versagt habe. 

Viele, die mich kennen, würden über mich sagen, ich sei entspannt, ich bin im Glauben, ich würde brennen. Ja und das würde ich auch über mich sagen. Und manche, die mich kennen, würden mich als hart, verbohrt, engstirnig, ungerecht, ja sogar als Heuchler bezeichnen. Und auch hier bin ich selbstkritisch und ehrlich genug, um auch diesen Menschen recht geben. Und heilig bin ich nicht und möchte auch nicht als heilig gesehen werden. Ich möchte Jesus nachfolgen und ich behaupte, dazu muss ich nicht heilig sein. Ich darf meine Fehler haben, so wie alle meine Brüder und Schwestern im Herrn Fehler haben und haben dürfen. Was gar nicht geht ist der Anschein. Nur so zu tun, um als Christ zu gelten. Das wäre zutiefst verwerflich. Obendrein wäre es dumm. Glaube ich an den allmächtigen Schöpfer (ich glaube!), dann würde ich mir und meinem Schöpfer keine Ehre machen. Was soll der billige Applaus? Menschen können mich gut finden und mir und meinem Ego damit schmeicheln. Aber was soll das? Gott schaut in mein Herz und weiß, dass diese Anerkennung mich erhöht und IHN, den Herrn erniedrigt. Mehr ich, weniger Jesus. Und wie billig das ist! Ich möchte mehr Demut und Furcht vor dem Herrn. Ich bin so nichtig, wenn ich mich wichtig nehme.

Es ist ein Dilemma. In dieser Welt, in der ich leben will, möchte ich geliebt werden. Warum? Weil mich diese Liebe erhöht? Viel Liebe, viel Ehr? Was bringt es, mich gut zu fühlen, weil Menschen mich lieben, aber ich unfähig bin, zurückzulieben? Ich bin ein Krüppel in Liebesdingen! Wieviel wert bin ich Versager, denn ich liebe meinen Nächsten nicht? Ich will ihn lieben und ich kann auch in Liebe kommen, wenn ich aufgehe und nicht mehr „ich“ bin, sondern in der Liebe bin. Wenn ich Anteil nehme und wenn sein Leid mein Leid geworden ist. Und seine Freude meine Freude. Unsere. Wenn ich ganz klein und die Liebe ganz groß geworden ist. Dann bin ich in der Nachfolge und das wird mich entrücken. 

Schon wieder in die Ego-Falle getappt? Dieses Mal nicht. Ich werde geliebt. Wir alle werden geliebt. Mein Wunsch geliebt zu werden könnte durchaus auf einem Mangel resultieren, weniger auf einem übersteigerten Ego. Ich kann die Gewissheit haben, geliebt zu sein von meinem Vater im Himmel. Sicher lieben mich meine Kinder und sicher liebt mich meine Frau. Aber die Liebe meines himmlischen  Vaters war schon vor aller Zeit. Ich war sein Wunschkind und ich bin seiner Liebe bewusster denn je. Ich kann meine Liebe nicht mehr verbergen. Diese Liebe ist für alle Zeit. Die Liebe meiner Frau ist mir so wichtig, weil ich von ihr angenommen bin und weil ich vor Gott mit ihr einen heiligen Bund eingegangen bin und wir ein Fleisch sind. Aber ich kann sie verlieren. Ich möchte es nicht. Wir sind Mann und Frau. Viele Ehepaare trennnen sich. Ihre Liebe erkaltet. Lieblosigkeit, Verletzungen und Schlimmeres sind in dieser Welt. Eine Beziehung, eine Ehe ist kein Selbstläufer. Es ist irgendwie Arbeit. Es ist ein Wachstumsprozess. Und manchmal wachsen wir nicht im gleichen Tempo. Immer wieder sind wir herausgefordert. Immer wieder machen wir Fehler. Und immer wieder müssen wir einander verzeihen. Solange dies möglich ist, kann diese Liebe bestehen. 

Kinder und Eltern haben eine Beziehung, die unserer Beziehung zu unserem Herrn ähnlich sieht. Allerdings ist Gottes Liebe noch umfassender und noch bedingungsloser. Wenn wir fehlerhaft sind, dann wird Gott uns immer noch lieben. Eltern können an ihre Grenzen kommen. Gott hat keine Grenzen. Er wird uns nicht mehr oder weniger lieben. Eltern haben ihre Grenzen und die Liebe von Eltern ist sehr viel begrenzter und ihre Grenzen kommen sehr wahrscheinlich häufig hervor. Gott, unser Vater ist grenzenlos in seiner Liebe. 

Die Liebe ist unsere Herausforderung. An der Liebe, die unser Gebot ist, müssen wir uns messen lassen. Von Gott, von unseren Partnern, von unseren Kindern und von unseren Nächsten. Wir dürfen nicht verhärten. 

Werden wir entrückt, zählt allein unsere Liebe zu Gott, unserem Herrn und die Liebe zu uns und unseren Nächsten. Sterben wir, zählt ebenfalls unsere Liebe. Unsere Liebesfähigkeit. Es geht nicht um unser Gefühl, geliebt zu sein. Es geht um unsere Beziehung zu unserem Gott. 

Beten wir darum, dass er uns in sein Ebenbild verwandelt und bleiben wir in der Liebe, denn wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm. 

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